Berliner Mietendeckel - Stufe 2

Am 23. Februar 2020 ist in Berlin das "Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung" (MietenWoG Bln) in Kraft getreten*. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes ist das Einfrieren der Miete auf den Stand am 18. Juni 2019 (Stichtag) sowohl in bestehenden als auch bei neu abgeschlossenen Mietverhältnissen. Am 23. November 2020 tritt nun die zweite Stufe des Gesetzes in Kraft, die die Absenkung ("Kappung") überhöhter Mieten in ca. 340.000 Bestandsmietverhältnissen erzwingen soll.

I. Überblick

Nach § 5 Abs. 1** ist eine "überhöhte Miete im Sinne des Gesetzes" verboten.

Miete im Sinne des MietenWoG Bln ist die Nettokaltmiete einschließlich aller Zuschläge (§ 3 Abs. 5).

Betriebskostenvorschüsse spielen also keine Rolle. Zuschläge für Mobiliar oder die teilgewerbliche Nutzung der Wohnung werden hingegen in die Miete mit einbezogen (AV Nr. 3.5***).

Es bleibt aber möglich, durch gesonderten Vertrag dem Mieter zum Beispiel einen Parkplatz zu vermieten und hierfür ein Entgelt zu verlangen, das nicht unter das Mieten WoG Bln fällt (AV Nr. 3.5). Eine Miete gilt als überhöht, wenn sie

- die (durch Zu- und Abschläge für die Wohnlage korrigierten) Mietobergrenzen gemäß §§ 6, 7
- um mehr als 20% überschreitet und
- nicht nach § 8 genehmigt ist.

Es sind daher folgende Rechenschritte erforderlich:

1. Zunächst ist durch korrekte Einstufung der Wohnung die Tabellenmiete gemäß § 6 Abs. 1 festzustellen.
2. Dann sind etwaige Zuschläge nach den §§ 6 Abs. 2, 6 Abs. 3 und § 7 zu addieren.
3. Die so ermittelte Miethöhe ist mit Zu- bzw. Abschlägen entsprechend der Wohnlage zu korrigieren.
4. Schließlich sind zu dem gefundenen Wert 20% zu addieren.

Das Ergebnis wird als "Kappungsgrenze" bezeichnet. Dies bedeutet, dass die über den errechneten Betrag hinausgehende Miete "gekappt" wird. Die Erhebung des gekappten Betrages ist gemäß § 5 Abs. 1 verboten.

* Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 76. Jahrgang Nr. 6 vom 22. Februar 2020, S. 50ff.
** Alle §§ ohne nähere Bezeichnung entstammen dem MietenWoG Bln
*** Ausführungsvorschriften (AV) zum MietenWoG Bln vom 2. April 2020, Amtsblatt für Berlin vom 17. April 2020

II. Die Rechenschritte im Einzelnen

1. Bestimmung der Tabellenmiete

Zunächst ist die Wohnung in die sich aus § 6 Abs. 1 ergebende Mietentabelle korrekt einzuordnen:

1. Bezugsfertig bis 1918, mit Sammelheizung und Bad 6,45 €/m²
2. Bezugsfertig bis 1918, mit Sammelheizung oder Bad 5,00 €/m²
3. Bezugsfertig bis 1918, ohne Sammelheizung und Bad 3,92 €/m²
4. Bezugsfertig 1919 bis 1949 mit Sammelheizung und Bad 6,27 €/m²
5. Bezugsfertig 1919 bis 1949 mit Sammelheizung oder Bad 5,22 €/m²
6. Bezugsfertig 1919 bis 1949 ohne Sammelheizung und Bad 4,59 €/m²
7. Bezugsfertig 1950 bis 1964 mit Sammelheizung und Bad 6,08 €/m²
8. Bezugsfertig 1950 bis 1964 mit Sammelheizung oder Bad 5,62 €/m²
9. Bezugsfertig 1965 bis 1972 mit Sammelheizung und Bad 5,95 €/m²
10. Bezugsfertig 1973 bis 1990 mit Sammelheizung und Bad 6,04 €/m²
11. Bezugsfertig 1991 bis 2002 mit Sammelheizung und Bad 8,13 €/m²
12. Bezugsfertig 2003 bis 2013 mit Sammelheizung und Bad 9,80 €/m²

Wohnraum, der ab dem 1. Januar 2014 bezugsfertig wurde, fällt nicht unter das Gesetz.

Gemeint ist die erstmalige Bezugsfertigkeit der Wohnung. Auch bei modernisierten Wohnungen gilt daher das ursprüngliche Baujahr. Ein abweichendes Jahr der Bezugsfertigkeit ist anzunehmen bei

- Neuschaffung von Wohnraum durch Dachgeschossausbau
- Wiederaufbau nach vollständiger Zerstörung
- Umbau von Gewerberäumen zu Wohnraum unter wesentlichem Bau- und Kostenaufwand.

2. Zuschlag für Ein- und Zweifamilienhäuser

Befindet sich die Wohnung in einem Gebäude mit höchstens zwei Wohnungen, erhöht sich die Mietobergrenze gemäß § 6 Abs. 2 um 10%.

3. Moderne Ausstattung

Wenn eine moderne Ausstattung vorhanden ist, erhöht sich die Mietobergrenze gemäß § 6 Abs. 3 um 1,00 €/m².

Hierzu müssen mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorhanden sein:

1. Schwellenlos erreichbarer Aufzug von der Wohnung und vom Hauseingang,
2. Einbauküche,
3. Hochwertige Sanitärausstattung,
4. Hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
5. Energieverbrauchskennwert weniger als 120 kWh/(m² a).

Im Einzelnen:

1. Aufzug

Von vornherein scheiden Fahrstühle aus, deren Eingang sich auf der halben Treppe befindet.

Ob der Hauseingang selbst schwellenlos erreichbar ist oder ob man von der Straße aus einige Stufen überwinden muss, um zum Hauseingang zu gelangen, ist unerheblich.

2. Einbauküche

Eine Einbauküche beinhaltet Ober- und Unterschränke, Herd oder Kochfeld und Backofen, Dunstabzugshaube und Spüle (AV Nr. 6.3.2).

Das Merkmal wird nur dann berücksichtigt, wenn die Einbauküche vom Vermieter gestellt wird (AV Nr. 6.3).

3. Hochwertige Sanitärausstattung

Die Sanitärausstattung im Bad und WC (Badewanne, Dusche und Waschbecken einschl. Armaturen, Toilette) muss hochwertig sein. Der Begriff der Hochwertigkeit bezieht sich auf die Qualität des Materials und dessen Verarbeitung und den Preis.

Auch besondere Ausführungen, zum Beispiel Rund- oder Eckbadewanne, deuten auf die Hochwertigkeit hin (AV Nr. 6.3.3).

4. Hochwertiger Bodenbelag

- Parkett, Naturstein, Kunststein, Fliesen oder gleichwertiger Bodenbelag (AV Nr. 6.3.4)
- in mehr als 50% der Wohnräume (also ohne Küche und Bad/WC).

5. Energieverbrauchskennwert

- kleiner als 120 kWh/(m² a)

4. Korrektur nach Wohnlage

Die Wohnlagezuordnung ist dem Straßenverzeichnis zum Berliner Mietspiegel 2019 zu entnehmen.

Es werden folgende Zu- und Abschläge vorgenommen:

- Einfache Wohnlage: -28 Cent
- mittlere Wohnlage: -9 Cent
- gute Wohnlage: +74 Cent.

5. Modernisierung

Die Tabellenmiete des § 6 erhöht sich nach § 7 Abs. 1 um bis zu einem Euro, wenn der Vermieter nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die Miete aufgrund einer Modernisierung erhöht hat.

Achtung: Dies gilt nicht für alle Modernisierungen, sondern nur für bestimmte, "privilegierte" Modernisierungsmaßnahmen. Hierzu zählen solche, zu denen der Vermieter aufgrund eines Gesetzes verpflichtet ist, die der Energieeinsparung oder der Schaffung von Barrierefreiheit dienen.

Die Vorschrift ist sinngemäß auch auf solche Modernisierungen anzuwenden, die zwischen dem 18. Juni 2019 und dem 23. Februar 2020 erfolgt sind (§ 7 Abs. 2).

Zusätzlich notwendig ist immer eine Mitteilung an die Investitionsbank Berlin (IBB).

6. Härtefälle

Auf Antrag des Vermieters kann die Investitionsbank Berlin "zur Vermeidung einer unbilligen Härte" eine höhere als die nach dem MietenWoG Berlin zulässige Miete genehmigen (§ 8 Abs. 1).

Dies setzt voraus, dass die Gründe hierfür nicht im Verantwortungsbereich des Vermieters liegen.

III. Durchführung der Kappung

Die Durchführung der Kappung ist zunächst Sache des Vermieters. Einzelheiten hierzu ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Eine Mitteilung an den Mieter über die nunmehr geschuldete Zahlung ist sinnvoll und geboten.

Da § 5 Abs. 1 erst am 23. November 2020 in Kraft tritt, ist die Regelung erstmals auf die Miete Dezember 2020 anzuwenden.

Der Vermieter sollte den Mieter im Verlaufe des Monats November von der Absenkung der Mietzahlung schriftlich unterrichten und ihn auffordern, nur noch den reduzierten Betrag zu entrichten. Hierbei ist es sinnvoll, den neuen Zahlbetrag nachvollziehbar zu berechnen. In jedem Fall muss das Schreiben die Hinweise enthalten, dass

- nur der Zahlbetrag herabgesetzt wird,
- die Miete jedoch unverändert bleibt,
- der Differenzbetrag nachzuzahlen ist, wenn das Gesetz aufgehoben wird,
- nach Auslaufen des Gesetzes wieder die vereinbarte Miete zu entrichten ist.

Wird die Miete vom Konto des Mieters eingezogen, so ist der Vermieter verpflichtet, den Einzugsbetrag selbständig zu reduzieren. Ein entsprechender Antrag des Mieters ist nicht erforderlich.

Achtung: Die Auskunft, die gemäß § 6 Abs. 4 gegenüber dem Mieter bis zum 23. April 2020 erteilt werden sollte, hat keine Bindungswirkung.

Der Vermieter kann also bei der Berechnung der Kappungsgrenze von der erteilten Auskunft abweichen, wenn er die Verhältnisse nunmehr anders einschätzt oder sich diese geändert haben.

IV. Verfassungswidrigkeit des Gesetzes?

Beim Bundesverfassungsgericht (Aktz. 2 BvF 1/20) ist eine Normenkontrollklage gegen das MietenWoG Bln anhängig, desgleichen mehrere Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz. Mit einer Entscheidung soll bereits im zweiten Quartal 2021 zur rechnen sein.

In der Fachwelt wird überwiegend davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht das MietenWoG Bln für verfassungswidrig erklären wird.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das MietenWoG Bln mehrfach abgelehnt. Die entscheidende Frage, ob das Land Berlin die Kompetenz besaß, die Miethöhe durch ein Landesgesetz zu regeln, hat das Gericht hierbei ausdrücklich offen gelassen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2020, Aktz. 1 BvQ 15/20, GE 2020, Seite 389 und 28. Oktober 2020, Aktz. 1 BvR 972/20).

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